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15.02.2015

Ignorieren der Teilnehmervorschläge des Betriebsrats bei betrieblichen Schulungen

News / erstellt von Tobias Fischer

Bundesarbeitsgericht 18.03.2014 – 1 ABR 77/12

Die Arbeitgeberin bat den Betriebsrat um Zustimmung zur Teilnahme eines bestimmten Arbeitnehmers an einem bestimmten Lehrgang. Der Betriebsrat verweigerte die Zustimmung und benannte insgesamt sechs andere Arbeitnehmer, die seiner Auffassung nach bevorzugt hierfür einzuplanen seien.

Zur Begründung führte er aus, es sei nicht ersichtlich, dass der von der Arbeitgeberin benannte Arbeitnehmer die Weiterbildung benötige. Schließlich nahm der von der Arbeitgeberin benannte Arbeitnehmer an der Weiterbildungsmaßnahme teil.

Der Betriebsrat hat geltend gemacht, die Arbeitgeberin habe seine Beteiligungsrechte bei betrieblichen Bildungsmaßnahmen bewusst und hartnäckig missachtet. Vor Gericht beantragte er, der Arbeitergeberin aufzugeben, es zu unterlassen, ohne Einigung mit ihm oder ohne Ersetzung der fehlenden Einigung durch die Einigungsstelle Arbeitnehmer für Maßnahmen der betrieblichen Berufsbildung freizustellen und der Arbeitgeberin für jeden Fall der Zuwiderhandlung ein Ordnungsgeld in Höhe von bis zu € 10.000,00 anzudrohen.

Die Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts:

Beabsichtigt der Arbeitgeber, einen Arbeitnehmer für eine Bildungsmaßnahme freizustellen, kann der Betriebsrat nach § 98 Abs. 3 BetrVG eigene personelle Vorschläge für die Teilnahme an dieser Maßnahme machen. In einem solchen Fall ist der Arbeitgeber nach § 98 Abs. 4 BetrVG verpflichtet, sich mit dem Betriebsrat über die Auswahl der Teilnehmer zu einigen. Kommt eine Einigung nicht zustande, hat der Arbeitgeber die Einigungsstelle anzurufen.

Setzt sich der Arbeitgeber über diese eindeutige gesetzliche Regelung hinweg, kann der Betriebsrat nach § 23 Abs. 3 BetrVG die zukünftige Unterlassung dieser Handlung verlangen. Ein solcher Unterlassungsanspruch kann auch bereits nach einer einmaligen Verletzung dieser betriebsverfassungsrechtlichen Verpflichtung bestehen.

Anders als das Landesarbeitsgericht bejaht das Bundesarbeitsgericht den groben Verstoß der Arbeitgeberin gegen ihre Verpflichtungen aus § 98 Abs. 4 BetrVG: Die Arbeitgeberin hat, ohne sich mit dem Betriebsrat geeinigt zu haben, einen Arbeitnehmer für eine Maßnahme der betrieblichen Berufsbildung freigestellt. Ein grober Verstoß des Arbeitgebers ist bei einer objektiv erheblichen und offensichtlich schwerwiegenden Pflichtverletzung zu bejahen. Auf ein Verschulden des Arbeitgebers kommt es dabei nicht an.

Der Annahme eines groben Verstoßes kann entgegenstehen, dass der Arbeitgeber seine Rechtsposition in einer schwierigen und ungeklärten Rechtsfrage verteidigt.

Eine grobe Pflichtverletzung indiziert die Wiederholungsgefahr. Diese ist nur dann ausgeschlossen, wenn aus faktischen oder rechtlichen Gründen eine Wiederholung des betriebsverfassungswidrigen Verhaltens ausscheidet. Die bloße Zusicherung, zukünftig betriebsverfassungswidriges Verhalten zu unterlassen, genügt hierfür hingegen nicht.

Auch die einmalige Verletzung der Pflichten aus dem Betriebsverfassungsgesetz kann grob im Sinn des § 23 Abs. 3 BetrVG sein, wenn sie nur schwerwiegend genug ist.

Das Bundesarbeitsgericht stellt fest, dass im vorliegenden Fall für die Arbeitgeberin an der Verpflichtung zur Anrufung der Einigungsstelle kein Zweifel bestanden hat und auch nicht bestehen konnte.

Die Arbeitgeberin habe nicht einmal behauptet, ihr sei die Rechtslage unklar gewesen. Mit ihrem Verhalten habe sie sich vielmehr über die eindeutige gesetzliche Anordnung hinweggesetzt und diese offensichtlich für sich als nicht verbindlich erachtet. Sie hat damit nachhaltig und grob gegen die betriebsverfassungsrechtliche Ordnung verstoßen.