Wie viel Schein darf sein? In einer Entscheidung des Landesarbeitsgerichts Hamm vom 14.07.2013 entpuppt sich eine Dienstleistungsvereinbarung im konkreten Fall als Arbeitnehmerüberlassung
Die Arbeitnehmerüberlassung bedarf gemäß des Gesetzes zur Regelung der Arbeitnehmerüberlassung (AÜG) einer entsprechenden behördlichen Erlaubnis. Dies und die generell immer intensiver geführte Diskussion über die Arbeitnehmerüberlassung als solche haben in der Praxis der Überlassung von Arbeitnehmern aufgrund von Dienstleistungsrahmenvereinbarungen oder gar Werkverträgen Vorschub geleistet.
Ob (erlaubnispflichtige) Arbeitnehmerüberlassung oder ein Scheinwerkvertrag oder sonstiger Überlassungsvertrag vorliegt, bedarf jeweils der Prüfung aller Umstände des einzelnen Falles. Das ist an sich juristisch unproblematisch. Die rechtliche Abgrenzung fällt aber dennoch häufig schwer, weil eindeutig bestimmte (gesetzliche) Abgrenzungskriterien fehlen, jedenfalls aber in ihrer Gewichtung zueinander von den Gerichten unterschiedlich bewertet werden. Nicht selten wird deshalb vom sozialen Schutzzweck des AÜG aus argumentiert, also quasi ergebnisorientiert. Dies wiederum beeinflusst die Darlegungs- und Beweislast im gerichtlichen Verfahren.
Die drei Oppositionsfraktionen im Deutschen Bundestag haben Gesetzesentwürfe zur Abgrenzungsproblematik vorgelegt. Darin finden sich die auch schon bislang von den Gerichten entwickelten Abgrenzungskriterien Weisungsstrukturen/Einbindung in die betriebliche Organisation des Einsatzbetriebes sowie Gewährleistung/Risikotragung durch das überlassende Unternehmen wieder.
Das Landesarbeitsgericht Hamm (Aktenzeichen 3 Sa 1749/12) hatte am 14.07.2013 einen konkreten Fall zu entscheiden, in dem es um die Abgrenzung der Beschäftigung aufgrund einer Dienstleistungsrahmenvereinbarung von der Arbeitnehmerüberlassung ging. Das Einsatzunternehmen hatte mit dem überlassenden Unternehmen (eine Reinigungsfirma) eine Rahmenvereinbarung über Dienstleistungen im Reinigungsbereich abgeschlossen. Mit dieser Reinigungsfirma hatte der überlassene Arbeitnehmer (hier der Kläger) einen Arbeitsvertrag geschlossen. Der Kläger wurde beim Einsatzunternehmen im Bereich Facility-Management mit Tätigkeiten des Wareneingangs, Poststelle und Hausmeistertätigkeiten beschäftigt. Er erhielt von dem Einsatzunternehmen (hier der Beklagten) einen Büroarbeitsplatz und ein Fahrzeug für Botendienste zugewiesen. Außerdem erhielt er die Arbeitskleidung, die auch die anderen Arbeitnehmer der Beklagten tragen.
Der Kläger begehrte die gerichtliche Feststellung, dass er in einem Arbeitsverhältnis zur Beklagten, also dem Einsatzunternehmen steht und argumentierte, es habe tatsächlich Arbeitnehmerüberlassung vorgelegen, für deren rechtmäßige Vornahme der Reinigungsfirma die Erlaubnis fehle. Hintergrund: das Gesetz (AÜG) fingiert in solchen Fällen das Zustandekommen eines Arbeitsverhältnisses zwischen Einsatzunternehmen (Entleiher) und überlassenem Arbeitnehmer!
Das Landesarbeitsgericht folgte der Argumentation des Klägers: Maßgeblich für die Abgrenzung von Arbeitnehmerüberlassung und Dienstleistungsvertrag sei der Geschäftsinhalt, der sich sowohl aus den vertraglichen Vereinbarungen als auch aus der praktischen Durchführung des Vertrages ergebe, so das Gericht. Hier sei die Tätigkeit des Klägers zum einen nicht vom Rahmenvertrag erfasst gewesen (keine Reinigungsaufgaben). Zum anderen habe der Kläger hinreichende Indizien dafür vorgetragen, dass er in die betriebliche Organisation der Beklagten eingegliedert war und deren Weisungen unterlag. Dem konnte die Beklagte nicht substantiiert entgegen treten.
Für Interessierte: siehe dazu auch die Entscheidungen des LAG Hessen vom 09.04.2013 (Az. 8 Sa 1270/12) sowie des LAG Baden-Württemberg vom 01.08.2013 (Az. 2 Sa 6/13)
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