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15.05.2015

Betriebsrat hat Anspruch auf Vorlage der Bewerbungsunterlagen aller Bewerber bei Einstellung

News / erstellt von Tobias Fischer

Bundesarbeitsgericht 21.10.2014 – 1 ABR 10/13

Die Arbeitgeberin ist ein Textilhandelsunternehmen mit bundesweit 390 Filialen. Ihr Verkaufsgebiet ist in 15 Areas eingeteilt, für die jeweils ein Büro mit einem Recruitment-Center zuständig ist. Die Arbeitgeberin nimmt ausschließlich Online-Bewerbungen entgegen.

Die Store-Manager teilen die zu besetzenden Stellen einschließlich Anforderungsprofil dem für sie zuständigen Recruitment-Center mit. Von diesem werden die Positionen mit ihren Bedingungen in ein Onlineportal eingegeben und die eingehenden Bewerbungen gesichtet sowie daraufhin geprüft, ob ein Bewerber die geforderte Qualifikation aufweist. Anhand der ihr vom Recruitment-Center zugeleiteten Bewerbungsunterlagen trifft der Store-Manager eine Auswahlentscheidung und leitet das Verfahren zur Beteiligung des Betriebsrats nach § 99 BetrVG ein. In diesem Zusammenhang informiert er den Betriebsrat über die ihm vom Recruitment-Center weitergeleiteten Bewerbungen und stellt ihm die entsprechenden Unterlagen zur Verfügung.

Der Betriebsrat begehrt die gerichtliche Feststellung, dass die Arbeitgeberin verpflichtet ist, ihm im Rahmen der Anhörung nach § 99 BetrVG zu einer Einstellung die erforderlichen Bewerbungsunterlagen aller Bewerber vorzulegen und Auskunft über die Person aller Bewerber zu geben, unter Einschluss derjenigen Bewerbungen, die bereits durch eines der Area-Büros der Arbeitgeberin aussortiert und nicht an die Filialleitung weitergereicht werden.

Das Arbeitsgericht hat das Feststellungsbegehren des Betriebsrats abgewiesen. Das Landesarbeitsgericht hat ihm entsprochen.

Das Bundesarbeitsgericht weist die Rechtsbeschwerde der Arbeitgeberin zurück. Der Antrag des Betriebsrats ist begründet.  Die Unterrichtungs- und Vorlagepflicht des § 99 Abs. 1 Satz 1 BetrVG soll zum einen dem Betriebsrat die Informationen verschaffen, die er benötigt, um sein Recht zur Stellungnahme sachgerecht ausüben zu können. Der Arbeitgeber hat den Betriebsrat daher so zu unterrichten, dass dieser aufgrund der mitgeteilten Tatsachen in die Lage versetzt wird zu prüfen, ob einer der in § 99 Abs. 2 BetrVG genannten Zustimmungsverweigerungsgründe vorliegt. Zum anderen soll der Betriebsrat bei seiner Beteiligung vor einer Einstellung die Möglichkeit haben, Anregungen für die Auswahl der Bewerber zu geben und Gesichtspunkte vorzubringen, die aus seiner Sicht für die Berücksichtigung eines anderen als des vom Arbeitgeber ausgewählten Stellenbewerbers sprechen. Das gilt unabhängig davon, ob hierauf eine Zustimmungsverweigerung nach § 99 Abs. 2 BetrVG gestützt werden kann.

Nach der Rechtsprechung des BAG hat der Arbeitgeber die Unterlagen bezüglich aller Stellenbewerber – auch der nicht berücksichtigten oder abgelehnten – vorzulegen. Auch derjenige, der sich auf eine Stelle bewirbt, dessen Anforderungsprofil oder Qualifikationsvoraussetzungen aber nicht erfüllt und damit – gegebenenfalls sogar offensichtlich oder objektiv – für die Stelle ungeeignet ist, bringt sein Interesse an dem ausgeschriebenen Arbeitsplatz zum Ausdruck und ist damit „Beteiligter“ bezüglich des Mitbestimmungsrechts. Gleiches gilt für etwaige – ohnehin mit einer rechtlichen Bewertung verbundene – nicht ernsthafte Bewerbungen.